Freitag, 25. März 2016

18 Grad - it's fucking freezin

Das Phosy Thalang Guesthouse liegt ganz idyllisch. Die erste Etappe auf dem Loop ist geschafft. Wir sind lange gefahren und haben die letzten Kilometer im dunkeln fahren müssen.  In Sichtweite ist hier fast nichts, aber es gibt natürlich ein kleines Dorf und den Tempel. Einschlafen in den Geräuschen der Nachttiere, geweckt wird durch den typischen Lautsprecher des Tempels um 6 Uhr morgens. Alles wie immer, abgesehen davon, dass um 9 Uhr morgens nicht Morgenhitze sondern frieren angesagt ist. Es ist bewölkt in den Bergen und die Sonne kommt nur selten hervor. Draußen zu sitzen ist zu kalt und ich frage mich, wie ich gleich aufs Bike steigen soll ohne zu erfrieren. Ich habe natürlich keine entsprechenden Kleider mitgenommen. Das ist definitiv der Hinweis, wieder mehr auf mein Bauchgefühl zu hören und mich besser auf Touren vorzubereiten! Die Jungs in Nakhon Phanom hatten den kalten Wind aus China sogar angekündigt.
Laos ist ganz wunderbarer Ort. Anders als die Thailänder haben es die Laoten gern sauber und ordentlich. In der Stadt steht neben jedem Haus ein Mülleimer aus alten Gummireifen. Rund um die Hütten ist es fast immer sehr ordentlich. Die Landschaft entlang des Loops ist überwältigend schön. Die erste Etappe geht entlang zerklüfteter hoher Felsen so weit man schauen kann. Blaue Berge in der Ferne, in Dunst gehüllt. Einige bewachsen mit Bäumen und anderem Grün, andere ganz kahl  und hart. Felder und Bäume säumen die Straßen, manchmal auch ein Reisfeld. Tiere laufen immer wieder alleine die Straßen entlang, grasen und schauen sich die Landschaft an. Wasserbüffel, helle abgemagerte Rinder, Schweine und Ziegen, alle mit ihren Jungtieren. Immer wieder fährt man durch kleine Orte aus Holzhütten, manchmal auch aus Stein. Alle haben eine Satelitenschüssel. Winkende Kinder stehen an der Straße, alle sind freundlich und lächeln.Es ist kaum zu glauben, dass es hier abends so gefährlich ist.
Aus anfänglichen Gesprächen mit Ferdinand ist inzwischen ein angestrengtes nebeneinander geworden. Ich glaube wir gehen uns gegenseitig auf den Keks. Wir sind gemeinsam los gefahren und wir werden den Loop auch gemeinsam beenden. Ich habe mein eigenes, halbautomatisches motorcycle. Ich kann damit rumfahren und freue mich jede Sekunde die ich unterwegs bin über die gerade gewonnene Mobilität. Ich kann hin gehen wohin ich will, sobald ich mir ein motrcycle geliehen habe. Pläne für die Zeit nach dem Loop habe ich heute morgen schon gemacht. Es geht nach Pakse und von dort aus zum Jhai Coffee House, Wat Phou einem Unesco Weltkulturerbe, zum Bolaven Plateau wo es viel Kaffee gibt und dann weiter zu den 4000 Islands, dem Inselareal im Mekong. 
Weiter geht es in der Eiseskälte, der Wind aus China setzt allen ganz schön zu. Den Berg herrunter, 30 km Strecke habe ich so gefrohren, dass ich nun nieße und nicht mehr richtig warm werde. Auf dem Weg haben wir uns mit Iceland zusammengeschlossen. Ein Typ aus Island, der eigentlich Jon heißt. Endlich in der nächsten Stadt angekommen decken wir uns mit Sweatjacken und langen Hosen ein. Dort kommt auch eine 5-köpfige Gruppe an, die wir an einer Aussichtsplatform schon einmal gesehen haben. Wir gehen gemeinsam essen und es beginnt zu regnen. Als wäre es nicht schon schlimm genug. Immerhin gibt es an dem Kleidungsstand nun auch Regenzeug. Statt einem Regencape kaufe ich mir eine Kombination aus Jacke und Hose, zu klein natürlich. Socken und Handschuhe auch noch. So geht es weiter und endlich kann ich die Landschaft genießen! Es ist wunderschön! Wie überall hier. Irgendwann wird es warm genug um die Regenhose auszuziehen, ich bin sogar kurz davor die lange Hose gleich mit in den Rucksack zu stecken. 20 Kilometer weiter bin ich dankbar, dass ich sie anbehalten habe. Eine Pfütze und die Gedanken schon beim Abbiegen rutscht mein Vorderrad weg. Zweit Meter rutschen über den Asphalt und ich liege under dem Bike. Die Kamera zwischen mir und der Straße, zum Glück ist Iceland hinter mir, hilft mir auf und checkt das Bike durch. Ein großer Schock doch mir und dem Bike ist fast nichts passiert. Einen dicken blauen Fleck werde ich direkt neben dem vom Zip Linen bekommen. Und mein linker Ellenbogen ist aufgeschrappt. Zum Glück ist es nicht so heiß, dass sich gleich Bakterien in der Wunde entwickeln.
Wir schauen uns die Cold Springs an, die sehr unspektakulär sind. Ein natürlicher Teich mit sehr klarem Wasser, zum Baden ist es natürlich immer noch zu kalt. Der Weg dahin ist jedoch überwältigend. Eine Felswand so weit das Auge reicht, davor rote Erde mit einigen Stäuchern. So viel Weite macht atemlos, selbst wenn das Herz noch klopft. Weiter, Kilometer um Kilometer. Die Sonne geht langsam unter und wir fahren im Halbdunkeln Berge rauf und wieder runter. Als wir dann zur Conglor Cave aufbrechen ist es schon sehr duster. 30 Kilometer auf schlechten Straßen und holprigen Wegen kommen noch. Schlaglöcher sehe ich erst Sekunden bevor ich ausweichen muss, meine Tanknadel wandert so schnell, dass mir bang wird. Ich bin froh, als ich endlich in meinem Bett liege. In voller Montour. Benzin gibt's am nächsten Tag aus der Flasche.
Die Sonne steht schon hoch über der Höhle. Es müsste brennend heiß sein, ein Plätz im Schatten wäre gut. Statt dessen sitze ich vor einem Blumenfeld, es ist angenehm frisch aber nicht mehr kalt. Man spürt endlich wieder, wie viel Kraft die Sonne hat, wenn die Wolken verschwunden sind. Jetzt ist die Welt wieder in Ordnung, auch wenn ich gerade nicht viel Abenteuerlust verspüre sondern eher zurück will. 5 Stunden Fahrt liegen noch vor uns, dann haben wir den Loop in 2,5 Tagen befahren und nur ganz wenig gesehen.
Die Fahrt zurück über holprige Straßen zeigt die umwerfend schöne Landschaft in dem Tal. Blumenfelder in zartem rosa, Reisfelder in strahlendem grün, blauer Himmel und die Felskette. Wir fahren zu schnell, als dass ich alles in mich aufsaugen könnte, nur kleine Bilderfetzen bleiben in meinem Gedächtnis.  Ein besonders satt grünes Reisfeld, ein großes dickes Schwein tief im Schlamm, ein kleines gesprenkeltes Schweinchen das mit wippenden Ohren über die Straße flitzt, eine ganze Herde riesiger Wasserbüffel mitten auf der Straße, ein besonders süßes kleines grinsendes Baby im Guest House, Täler voll mit Bäumen und grünem Chaos, endlos lange Bergketten, Schmetterlinge neben mir wärend ich auf dem Bike fahre, glühende Baumstämme in großen Seen, blaue Berglandschaften im Nebel, wolkenverhange Himmel. 
Den Loop mache ich vielleicht noch einmal, es ist wirklich traumhaft schön.

Dienstag, 15. März 2016

Ghost Stories

15. März

Lars hat sich gestern verabschiedet, und weg war er. Plötzlich stehe ich alleine in Bangkok. Klar, einen Plan habe ich, trotzdem ein komisches Gefühl plötzlich nicht in die selbe Richtung zu fahren. An Siam haben wir uns getrennt. Ich fahre nach On Nut zu Tom, auf den ich glatt 1,5 Stunden warten muss. Bangkok Farmer’s Market verpasst – fraglich, ob ich dort überhaupt etwas gekauft hätte und deshalb nur halb so schlimm.
Vor zwei Tagen
Hebräisch läuft. LANGSAM! Das nervt ganz schön. Pro Seite brauche ich eine Stunde und danach bin ich absolut erledigt. Dann habe ich auch erst das Prinzip verstanden. Erklären, erinnern geschweige denn selbst sprechen kann ich dann noch lange nicht. Die Audiodateien helfen auch nur bedingt. Beim Lernen frühstücke ich an meinem Lieblingsplatz. Bevor Tom auscheckt fange ich ihn ab. Wir steigen in den Bus Nummer 1, zahlen beide 8 Bat und ab geht die abenteuerliche Fahrt durch Bangkok’s Verkehrschaos. Merke: Beschleunigen geht immer, auch wenn man 10 Meter später wieder hart abbremsen muss. #HVVracingteam ist nichts dagegen, hier werden echte Rennen gefahren. Wer nicht mit seinem Nachbarn kuschen will, sollte sich einen Einzelplatz erkämpfen. Nur die Mutigen bleiben auch dann stehen, wenn ein Platz frei wird. Durch China Town, kleine grüne Nebenstraßen und über den Fluss gelangt man zum Grand Palace. Hecktische, japanische Reisegruppen kann man kostenlos bestaunen, zum Palace kommt man nur an den aufmerksamen Guards vorbei. Den besonderen Grand Palace muss man sich dann doch einiges kosten lassen. Schatten gibt es nirgends, dafür aber umso mehr Gruppenfotos, die für weitere Unterhaltung sorgen. Durch die Stadt zu fahren, als Teil des Chaos aber doch nur als Beobachter im Bus gefällt mir Bangkok besonders gut. Die Menschen im Bus sind freundlich, besorgt das uns etwas passiert und sie lächeln sogar. Endlich mal ein richtig guter Tag in Bangkok.
Tom will sich auf den Weg zu seiner Wohnung machen, daraus wird spontan nichts. Am Ghost Tower gibt es die Wachablösung. Der Mann in Uniform hat mehr Geschäftssinn. Tom kann ihn überzeugen ihn und seine 14 ‚Freunde‘ aufs Gelände zu lassen. Mit 13 Unbekannten werden wir ins innere des Gebäudes geschickt. „Schnell, schnell“ muss es gehen. Man soll uns nicht sehen und auch das Wochenende hat seinen Preis. Statt 200 Bat zahlt jeder 500 – hätten wir auch am Grand Palace ausgeben können, so fühlt es sich allerdings viel besser investiert an. Die erste Hürde auf dem Weg nach Oben ist der Aufzugschacht. Mit Plane und einem großen Holzbrett ist er verriegelt. Wind bläst Betonstaub nach, unten der in die Augen rieselt. Eine improvisierte Leiter ist an die Wand gelehnt, Bauschutt liegt auf dem Boden. Der Mann ist vorbereitet, eine große Taschenlampe hat er und die Handynummer wird auch noch weiter gegeben. Er wartet schließlich nicht im Schacht auf uns und raus wollen wir natürlich auch. Letzte Anweisungen: Um 9 wird die Polizei kommen, auf die Vorderseite zu gehen ist auch verboten. Adrenalin habe ich schon im Blut seit wir auf dem Gelände sind, aber es wird noch schlimmer. Die Leiter zu erklimmen geht noch, langsame ruhige Schritte. Hochdrücken auch langsam, sonst wackelt jede Dachlatte auf der man steht. Die Leiter endet mehr als einen Meter unter dem Eingang zum 1. Stock – der erste muss es alleine hoch schaffen, die nächsten bekommen Hilfestellung. An den Abstiegt will ich jetzt noch gar nicht denken. Überall sind Eisenreste, die aus den Wänden oder dem Boden ragen. „watch out“, warnen wir uns gegenseitig. Ab jetzt beginnt der Aufstieg. Die Berichte, die ich gelesen habe sprachen von fehlenden Stockwerken, schlimmsten Bedingungen um auf und wieder abzusteigen, Dehydrierung und Pausen nach jedem 5 Stockwerk. Meine Erwartungen sind groß, die Angst, dass mir etwas passiert auch. Verbotene, gefährliche Dinge sind normalerweise nicht so mein Ding. Die ersten Schritte im Treppenhaus sind easy. Ein Stromkabel mit Leuchtröhren hängt im Schacht und eine halbe Minute später geht das Licht an. Der Guard hat ganz offensichtlich ein großes Interesse daran, dass wir sicher wieder runter kommen. Wir steigen Stockwerk für Stockwerk auf, schnell, weil die Sonne bald unter gehen wird. Für die, die sich gruseln wollen, sind die Stockwerkzahlen an die Wände gesprüht. Auch andere Graffitis sind dort. Street Art existiert in Bangkok scheinbar nicht, zumindest nicht dort im Haus wo ich mich aufhalte. Einfache Fratzen und fast infantile Graffitis sind an die Wände gesprüht. Ob sich jemand einen Spaß erlaubt oder ob es sich um blutige Nachrichten der Mafia handelt, ich will es eigentlich gar nicht wissen. Auch auf die Stockwerkanzeige achte ich nicht, sollen doch der Schwede und die anderen dort oben gehangen haben, ohne dass ich genau weiß wo das gewesen ist. Wir kommen alle ins Schwitzen aber nach 15 Minuten werden wir mit einem überwältigendem Blick belohnt. Bangkok, eine Perle bist du nicht! Gelebt wird bis zum Horizont, egal wohin man schaut. Hochhäuser, Wohnhäuschen, Tempel, der Fluss und der große Bruder unseres Towers – Bangkok liegt uns zu Füßen. Ich mache die ersten Bilder, bin völlig geflasht. Das Adrenalin macht mich ganz wacklig auf den Beinen. Tom will weiter hoch. Ein Rondell in der Mitte und eine daran angeschlossene ‚Plattform‘ müssen noch bezwungen werden. „Angst ist dazu da um bezwungen zu werden“ – ich versuche ihm zu folgen brauche aber Hilfe obwohl die Kletterer vor uns viele Hilfen gebaut haben um es so einfach wie möglich zu machen. Den Sonnenuntergang verpasse ich darüber, das Bild der glutroten Sonne über der Stadt hat sich auch ohne Foto in meine Erinnerung gebrannt. Wir machen Fotos, wie die anderen auch. Selfiesticks und digitale Spiegelreflex gehören zur Grundausrüstung. Ich genieße lieber den Blick über die Stadt. Ganz schön schwer, wenn der Körper im Actionmodus ist. 
 
Eine Stunde später der Abstieg. Es wird finster und windig, kleine Lichtpunkte unter uns. Die Autos gleichen nicht einmal Spielzeugautos. Runter geht es leichter als hoch – dafür ist es jetzt stockduster. Taschenlampen sind wirklich empfehlenswert! Unebene Stufen, Bauschutt und Eisenteile beeinträchtigen das Laufen an einigen Stellen, aufmerksam muss man einfach sein. Dann der Abstieg in den Schacht und einer muss als letztes runter! Der Wachmann ruft „Ledi, ledi“. Die Jungs müssen also warten bis wir sicher unten angekommen sind. Panik macht sich bei mir breit, trotzdem ich gehe als zweite runter. Auf dem Bauch liegend langsam rückwärts zu rutschen, von den Jungs an den Armen gehalten, ist die sicherste Variante um die Leiter zu erreichen. Das Adrenalin schnellt wieder hoch,  mein Herz klopft wie verrückt. Die Frau vom Wachtmann schaut fern und nickt uns noch zu, als wir schnell das Gelände verlassen. Shake hands mit dem Wachmann und das Abenteuer ist vorbei.
Der Aufstieg ist zwar nicht ohne, aber auch nicht halb so schlimm wie von einigen Bloggern beschrieben.
Angefixt vom Nervenkitzel geht es am nächsten Tag noch einmal hoch. Rory aus England, Toms Cousin und seine Freundin nehmen wir mit. Wir kommen easy rein, nehmen noch zwei weitere Jungs und zwei Mädels mit. Die zwei trauen sich an der Leiter nicht weiter, deshalb geht’s nur zu siebt noch einmal hoch. Adrenalin ist nicht ansatzweise zu spüren. Es macht Spaß, nur der Gruselfaktor bleibt. Oben keine großen Kletteraktionen, alle genießen den Ausblick. Tom packt eine Decke aus. Rory haben wir schon im ersten Stock verarztet. Beim klettern in den ersten Stock hat er ein Einsenstück geschrammt und sich eine klaffende Wunde zugezogen. Man merkt ihm an, wie sehr er sich zusammen reißen muss. Um 8 sind wir wieder unten, auch die Leiter ist halb so schlimm. Der Moment, in dem mir klar wird, wie viel der Wachmann und die Jungs gesehen haben, als ich in meinem Kleid Leiter und Betonreste erklettert habe, ist ein bisschen absurd und sorgt für Gelächter. Der Wachmann hält Tom zurück als wir gehen. Er hat ihn erkannt und gibt ihm 300 Bat zurück. Wir haben ihm Kunden gebracht.
Der Abend endet nachts um 2 im Bumrungrad International Hospital. Rorys Wunde ist genäht und ich werde nach einer Mini-OP am Fuß mit dem Rollstuhl zur Rezeption gefahren. Da die Kreditkarte noch immer streikt dauert es bis wir gehen können. Rory fährt zurück zur Kao San, wir fahren in die Wohnung in On Nut.


Da ich nicht gut laufen, geschweige denn tanzen kann bleibe ich in Bangkok. Chiang Mai muss warten, der Backkurs auch. Dafür ist Toms Wohnung gemütlich. Ich schlafe morgens lange, bin für Mittwoch mit Mon verabredet. Nach unserer Backaktion im Hostel am Freitag wollen wir nun ihre neuen Kochbücher ausprobieren. Mit Tom fahre ich am Freitag Abend aus der Stadt ins Klettercamp. Wenn alles nach Plan läuft und mein Zeh gut heilt, reise ich von dort aus weiter nach Laos. Ein komisches Gefühl. Ich freue mich auf die Reise doch Bangkok hat plötzlich einen Reiz. Die Reise soll heilend sein und Tom tut mir gut.

Montag, 7. März 2016

Eine kleine Liebe

Ich sitze wieder am Fluss, aus dem Plan um 6 aufzustehen ist nichts geworden. Auf der Veranda nebenan zupft jemand auf einer Gitarre, aus dem Café auf der anderen Seite schwebt auch Musik rüber, manchmal kommt ein kleines Boot den Fluss rauf gefahren. Bei den Mönchen gegenüber scheppert eine Durchsage durch Lautsprecher, die Vögel zwitschern und ich schaue auf den Fluss, den riesigen Baum und den Tempel. Kaffee, Chia und frische, saftige  Mango vom Markt stehen auf dem kleinen Tischchen neben mir.

Mit dem Rad bin ich gestern in die Stadt gefahren, habe mich durch die vielen Autos, Roller und Gruppentaxis geschlängelt. Durch die Stadt bin ich gelaufen, das Rad habe ich an einem Tempel angeschlossen in der Hoffnung, dass dort niemand Fahrräder klaut. Die meisten Menschen sind vermutlich auch zu bequem es dann zu fahren. Bei der Hitze absolut verständlich.
Der Tempel war beeindruckend, einer der Wichtigeren. Auch Mönchsgesänge von noch sehr jungen Mönchen habe ich gehört. Spannend, zu beobachten wie sie sich von den Erwachsenen unterscheiden. Der Abt spricht mit deiner dunklen Stimme zu ihnen, nachdem sie die Meditation beendet haben. Viele von ihnen zappeln, richten ihre Kleidung aufwändig, es raschelt, sie jucken sich, schauen manchmal zur Seite. Auch ich sitze nicht still.  Die alt-eingesessenen Möche haben diese Unruhe abgelegt, das wird mir in diesem Moment bewusst. Das gerade ist ein Teil der Faszination, die sie ausmacht. Vor allem der Abt des Waldmönchstempels hat etwas faszinierendes. Meine unwissenheit im Bezug auf den Umgang mit ihm hat ihn zwar etwas hektischer werden lassen, doch das ist nichts im Vergleich zu meiner Unruhe. Nicht verwunderlich, ist er doch wenigstens kurz vor der Erleuchtung. Man weiß es nicht so genau, sagt Lars. Heute um 3 gehe ich zur Einführung  in die Meditation. Immer Montags, in einem Tempel in der Stadt. Wie großartig, wenn ich meine Zappeligkeit los würde.

Leider kann ich das Baumwollmuseum nicht besuchen. Eine Empfehlung von Lauryn und ein spannender Ort voller Tradition. Alles was man hier so findet und was als 'in Chiang Mai' bezeichnet wird, kann im Zweifel schon mal 70 Kilometer entfernt sein. Da wird das alleine Reisen doch ein bisschen zur Last, denn für einen ist das auch in einem günstigen Land ein kostspieliges Vorhaben.
Trotzdem mag ich meine Art zu reisen. Ich mache es mir gemütlich, erschließe mir die Gegend und suche mir etwas, wo ich mich unter die Menschen mischen kann die hier leben. Natürlich werde ich dadurch nicht weniger auffällig. Allerdings habe ich bisher auch noch nie ernsthaft angst um meine Sachen gehabt oder bin in bedrohlichen Situationen gewesen.
Heute werde ich auf einem Markt Stoff kaufen gehen, um mir in Bangkok eine Jacke schneidern zu lassen. Außerdem will ich endliche eine Massage genießen. Hier in Chiang Mai gibt es ein Rehabilitationsprojekt. Frauen aus dem Gefängnis lernen die Kust der Massage und arbeiten tagsüber in einem der 5 Massagesalons im Stadtzentrum. Dort werde ich mich durchkneten lassen. Es ist ein Nervenkitzel, der sicher schon in zahlreichen soziologischen Studien erforscht wurde. Ich bin schon sehr gespannt. Heute Abend wird in der Stadt wieder Lindy Hop getanzt. Ich muss noch herausfinden, wohin ich muss doch dank Internet vor jedem 7/11 ist das heute Abend ein Kinderspiel.

Sonntag, 6. März 2016

Chiang Mai

Bangkok haben wir mit dem Nachtzug verlassen. In 13 Stunden ist Chiang Mai zu erreichen, das verschlafen an einem Fluss liegt. Während ich die Stille am Morgen genieße, dudelt im Nachbarsgarten schon ein Radio. Mein Hostel, das auch am Fluss liegt schläft noch, nur hinter mir im Garten macht jemand Yoga und der Hund spielt mit den Überresten der nächtlichen Party. Ich habe nicht mitgefeiert, zu wichtig ist mir morgens ausgeschlafen zu sein.

Nachdem ich schon zwei Tage hier verbracht habe, ist mir gestern plötzlich klar geworden wo ich bin und das dies die Reise ist, die ich so lange schon machen wollte. Es fühlt sich anders an, als ich es mir vorgestellt habe. Manchmal finde ich Ruhe. letztens bin ich auf der Veranda am Wasser eingedöst und von Musik, die über den Fluss zu uns rüberschwebte geweckt worden. Die Ruhe, Euphorie und den Spaß, den ich mir vorgestellt habe, sind noch von dem ständigen Suchen nach Essen überlagert. Dass es nervt, kann auch mein gewohntes Frühstück mit Chia, Kaffee und Obst nicht ändern. Leider schmeckt auch das Brot hier komisch. Aber noch bin ich nicht verzweifelt. Sojakakao ist auch sättigend!

Die Mönche auf der anderen Seite des Flusses sind genügsam. Die Menschen spenden ihnen täglich Essen und andere Dinge des täglichen Lebens. Es ist ein miteinander denn die Möche dürfen selbst nichts erwerben und Essen zu spenden gibt gute Punkte für's Karma Konto. Auch Lars und ich haben schon gespendet. Mit einem Bekannten von Lars fahren wir zu Waldmönchen in der Umgebung von Chiang Mai. Die Mönche dort sind besonders. Sie sind sehr bescheiden, freundlich aber auch zurückgezogen. Ihre Gegenwart wirkt sehr beruhigend statt verunsichernd. Die Stadtmönche leben ganz anders als die Waldmönche. Ihre Tempel sind reich mit Ornamenten, Glas und Spiegeln verzehrt. Gold und Rot sind dominierende Farben aber auch erdigen Rotklinker findet man oft. In vielen Tempeln sind die Tiere der Tierkreiszeichen zu finden. Ich habe nachgelesen,1987 ist das Jahr des Hasen. Es passt nicht so optimal zu mir; das Jahr des Tiegers dagegen passt wie die Faust auf's Auge. Auch Buddhistische Horoskope sind nicht unfehlbar. ;) Auch wenn es nicht ganz passt, es ist interessant welche Attribute die Buddhisten Menschen aus verschiedenen Geburtsjahrgängen zugeordnet haben.

Nach Karma sammeln und Tempel bestaunen geht es weiter... zu einem Tempel. Diesmal allerdings auf dem Doi Suthep, der Berg der Chiang Mai auf der anderen Seite begrenzt.  Der anstrengende Aufstieg wird mit einem imposanten Blick auf die Stadt wieder gut gemacht. Ausflüge in Thailand sind eher hektisch. Hinfahren, kurz umgucken und dann gleich wieder zurück. Da wir eh schon knapp dran sind, wird auf dem Doi Suthep nur fix drei mal um die Pagoda gelaufen, Blumen, Kerzen, Räucherstäbchen und 40 Bat werden gespendet und schon sind wir wieder auf dem Weg in die Stadt. Schnell noch ein vegetarisches Essen genießen und ab zur Straße - dort sind wir mit einer Professorin verabredet, die Lars kennen gelernt hat. Sie will uns ein Erbeerfeld zeigen, das eine ihrer Schülerinnen betreibt. Dort angekommen sind wir in den Erdbeerberg geklettert, haben reife und fast reife Beeren gepflückt. 30 Minuten später ist schon wieder Aufbruchstimmung. Trotzdem ein Highlight, da ich in Deutschland noch nie auf einem Erdbeerfeld gewesen bin. Als wir fahren wollen kommen noch Elefanten die Straße entlang. Zuerst ein einzelner mit einem Reiter, dann noch eine Gruppe. Mütter mit süßen kleinen Babyelefanten, europäische Reiter und thailänidische Elefantenführer. Ein wirklich wunderbarer Tag in Chiang Mai.

Kaum zu glauben, dass dieser Tag noch besser werden würde. Mitten in der Stadt habe ich plötzlich wieder Internet. Hanna hatte mir eine ganze Flut aufgeregter Nachrichten geschrieben die nun ankommen. ASF hat die Rückmeldungen verschickt. Schneller habe ich meine Mails wohl noch nie gecheckt. Und da ist sie: meine Zusage! Mitten in Chiang Mai habe ich erfahren, dass alle meine Pläne aufgehen, das ich ein Jahr in diesem wunderbaren Land leben werde. Die Ernüchterung kommt schnell, denn ich werde nicht nach Tel Aviv geschickt. Das hatte ich so sehr gehofft. Am Strand liegen, mit Hanna in einer WG wohnen, und ein ganz wundervolles Jahr verbringen - zusätzlich noch all die Erfahrungen aus dem Arbeitsleben dort. Hanna ist im gegensatz zu mir fast ausgeflippt vor Freude. Ich werde in Yad Vashem arbeiten. Sie findet es wahnsinnig aufregen, doch der Funke springt noch nicht über. Ich rede mir ein, dass es eine unfassbare Chance ist.
Die überwältigende Freude kommt erst am nächsten Tag. Ich rede von Bangkok und sage Tel Aviv, platze vor Freude und überschlage mich fast bei dem Gedanken an all die Chancen, die sich durch diese Zusage ergeben.

Mittwoch, 2. März 2016

Ruhe? Gibts nicht!

Die letzten paar Tage habe ich vorwiegend im Hostel verbracht. Bangkok ist mir einfach zu laut und voll. Auch wenn es nicht gerade leise ist, wenn ich es mir auf meinem Hocker vor dem Hostel in der Morgensonne bequem mache, bin ich doch nicht Teil des Chaos. Anfangs habe ich noch ein paar Touristenspots mit Lars und Mon erkundet - mit dem Boot über den Fluss zu What Pho zum Beispiel. Der liegende Buddha und die reich verzierten Giebel und Pagoden der Tempel sind sehr beeindruckend und die Wohngegend dort beruhigend ruhig und unaufgeregt. Mit Lauryn, meiner Zimmernachbarin aus Thaiwan, habe ich mir China Town angeschaut. Lindy Hop habe ich auch mit Lars zusammen ausprobiert - eine Empfehlung von Mon und Liebe auf den ersten Blick für uns. Hier lernt man viele weltoffende Menschen kennen,  die ich gerne wieder treffe. Sicher werden ein paar schöne Freundschaften auf diese Weise entstehen. Nur zum Tanzen bin ich vielen Thais wohl nicht geheuer. Könnte an meinem ausgeprägten Hang zur Tollpatschigkeit liegen.

Gestern bin ich einmal um den Block gelaufen hier. Neben dem Ghost Tower, der gleich hinter unserem Hostl steht, gibt es eine ganze Straße voll mit Schulen, die sich aneinander reihen. Nachmittags gegen halb vier kommen die Schüler alle aus den Gebäuden, steigen auf motorcicle taxis, spielen verstecken hinter tuk tuks und belagern die Essensstände. Direkt im Anschluss Kläranlagen, Müllhalden, Schnellstraßen und Wohnviertel die aussehen als hätte man Schuhkartons wild aufeinander gestapelt. Noch eine Sandfabrik und ein überraschend westliches Café und ich bin wieder am Hostel angekommen. 20 Minuten weg in der Nachmittagshitze und ich brauch wieder erfrischung durch die Klimaanlage. Zeit mal etwas über den Ghost Tower heraus zu finden. ZInzwischen von der Polizei bewacht ist er seit 20 Jahren das Relikt eines ungleichen Rechtsstreits und der thailändischen Finanzkrise. Vor gut zwei Jahren hat sich dort ein schwedischer Backpacker das leben genommen. Gefunden wurde er mitten in der Nacht von einem Fotografen, der eigentlich nur das Feuerwerk des Festtags von dort aus festhalten wollte. Er ist nicht der Einzige, denn das 49 stockwerk hohe Gebäude in Flussnähe gewährt denen einen überwältigenden Ausblick, die den 30 minütigen Aufstieg durch Bauschutt  und Grafitti bewältigen. Das zieht jeden Tag viele junge Menschen an. Auch der Schwede ist keine Ausnahme. Viele Thais halten sich lieber von dem Gebäude fern, das so schnell auch nicht fertig gestellt werden wird.

Beim sitzen vor dem Hostel schweifen meine Gedanken zu all den Dingen die bald kommen. Hanna hat schon ihre Zusage für Israel - am 7. März kommt sie hoffentlich per Mail auch zu mir. Trotz der vielen Zeit habe ich mein Hebräischbuch noch nicht angefasst. Zu viele Gedanken schwirren in meinem Kopf herum. Es geht um meine Zukunft und die muss ich aktiv planen - auch wenn noch so viel Zeit zu sein schein. Im Fokus stehen neben dem Hebräisch lernen noch ein Back-Workshop in Chiang Mai, in dem es um natürliche Hefen aus Früchten und die Arbeit in einem philanthropischen Projekt rund um eine Kaffee Initiative in Laos. Ich hoffe, dass mich beides sehr viel weiter bringen wird denn dann tue ich Dinge, die ich sehr liebe.