Zweiter Versuch.. der erste ist im Nirvana verschwunden. Jetzt bin ich auch wacher als eben noch, als ich zu schreiben begonnen habe. Vor einer halben Stunde saß ich mit meinem Kaffee von zu Hause (der anders schmeckt als zu Hause) und einem Klumpen Heimweh im Bauch an meinem Tischchen im Eingangsbereich vom Bangkok Hub Hostel, habe mich in meine viel zu warme pinke Fleecejacke gekuschel und von meinem Sofa geträumt, auf das ich mich jetzt mit Kaffee und leckeren Pfannkuchen kuscheln würde. Geht nicht, wohnt ja jemand anderes drin und ich sitze in dieser übervollen, nieschlafenden Stadt. Inzwischen haben sich der Hostelbesitzer, ein Australier und ein anderer Thai zu mir gesellt, alle friemeln an ihren Handys rum und ich höre Musik über meine Kopfhörer, die ich zu Hause vermutlich nie anmachen würde. Ein bisschen alone time tut trotzdem gut, Lars chillt noch im Mädchenschlafsaal, den wir kurzerhand in einen mixed dorm umgewandelt haben.
Ich hatte begonnen von meinen ersten aufregenden Tagen in dieser blinkenden Millonenstadt zu schreiben, die wie ein unorganisierter Ameisenhaufen wirkt. Nach 32 Stunden auf den Beinen bin ich in das von Lars gebuchte Bett gefallen und habe mich gut ausgeschlafen - etwa 7 Stunden lang. Nach meiner Ankunft am Flughafen (stilecht mit Schild stand Lars in der Eingangshalle) habe ich erste Bangkokluft geschnupert und einen Papayasalat mit Ei (gekocht und halbiert) und sticky rice (aus der Tüte) gegessen. Ganz schön viele Eindrücke. Wo ich mich befinde habe ich erst einige Tage später wirklich realisiert ("oh krass, so siehts hier aus? das hab ich alles gar nicht gesehen").
Rasen durch Bangkok am Samstag. Zur Wäscherei, zur Post, zum Schneider und zu Freunden von Lars. Doch morgens haben wir uns zunächst mit Marco getroffen. Er ist der Kameramann, den Lars am Tag zuvor am Tempel kennen gelernt hat. Wir waren an zwei Tempeln in Bangkok, Lars hat viele Fragen beantwortet, viel erzählt und ist viel gefilmt worden. So war das eigentlich nicht geplant. Totmüde bin ich nach diesem ersten richtigen Tag wieder in mein Bett gefallen.
Ohne das passende Outfit für den Tempel und wieder in Hektik (weil wir ausverschlafen haben) ging es mittags zum Dhammakaya Tempel, nördlich von Bangkok.
Das Buddha Fest am Tempel ist ein riesiges happening. 100.000 Menschen sind gekommen heißt es. Wir treffen uns um 6, bereiten alles vor, lassen uns herum kommandieren von einem General in weiß und werden von Marco verkabelt. Dann geht es los. In einer Zeremonie wird morgens um 7 im Gleichschritt meditiert und den Möchen gespendet. Im Anschluss Freizeit für alle und Frühstück in unterschiedlichen Variationen (Frühstück in der vip-lounge mit Tischservice vs. föhliches essen auf dem Boden mit den freiwilligen Helfern am Tempel). Auch das weitere Programm gibt es immer in zwei verschiedenen Variationen. Massenmeditation mehrfach am Tag (spannend ist, dass 80% der Teilnehmer dabei einschlafen und sich bei genauer Beobachtung plötzlich lauter lustig zuckende Köpfe in der Masse zeigen), Essensausgabe und Geldspenden (Durchsage: "Bitte achten Sie darauf, dass die Umschläge für die Geldspende auch tatsächlich mit Geld gefüllt sind"). Zwischendurch die Möche grüßen, alles andere wäre sehr unhöflich. 'Elisa und Lars am Dhammakaya Tempel' gibt's im Farbfilm am 1. März bei Gallileo im Vorabendprogramm, Marco hat alles mitgeschnitten. Wir tragen die im Tempel übliche Kleidung - total hipp. NICHT! Die Zeremonie am Abend soll das Highlight des Tages werden. Alle fiebern darauf hin, man kann es spüren denn überall alufen die Vorberietungen. Lisbeth, die Koordinatorin aus der Schweiz, extra für 12 Minuten Film eingeflogen, ist weniger koordiniert als reichlich pikiert. Ihr Mantra ist "man kann es nicht planen. Es passiert und dann muss man hinrennen" - hat bestens geklappt. Zwischendurch hat sie wahlweise Marco, Mon oder Lars und mich angemeckert. Da wir sie nie wieder sehen werden stört es mich nicht besonders - außerdem ist es unterhaltsam. Nach weiteren Mönchsgesängen, Meditation, dem Entfachen des Hauptfeuers und der Umrundung der Pagoda (mehfach, auf Leinwänden können es alle mitverfolgen) durch Mönche und Freiwillige, das das wieder durch Mönchgesänge getragen wird, ist es endlich soweit. Die Lichter, die rund um die Pagoda aufgestellt wurden, sollen angezündet werden. Inzwischen ist die Sonne unter gegangen, die Pagoda strahlt wie ein riesiges, godenes Ufo. Lisbeth will, dass wir so tun als wären wir Freiwillige, die das Feuer zu den Teilnehmern bringen. Da nichts geplant ist, rennen wir einfach los, sind nicht erfolgreich und rennen zurück zu unserem Platz. Wenigstens unser Licht sollen wir vor der Kamera anzünden. Dumm gelaufen - das Licht ist schon von Freiwilligen angezündet worden - es soll ja keine dunklen Flecken im Bild geben, wenn die Drohne von oben Bilder mach. Kurzerhand bläst Lisbeth, die immer auf die Achtung der Gesetze und Gepflogenheiten bedacht war, das Licht wieder aus. Lars und ich dürfen es mit geliehenem Feuer vom Nachbarlicht noch einmal für die Kamera anzünden. Läuft! Als wäre es noch nicht genug kommt nun der Oberguru der Gruppe. Die Security schirmt den Mop ab, nur wer ein VIP Ticket hat darf rein. Lisbeth ist fest davon überzeugt, dass sie selbst unser VIP Ticket ist - läuft nicht so gut. Keiner kennt sie, also ist auch kein durchkommen. Wir sehen ihn nur von weitem, und Marco wittert seine Chance - wir posieren mit dem Oberguru von wo auch immer, der mit Gläubigen vor der goldenen Pagoda chantet. Auch gutes, wenigstens passiert etwas - es ist schon absurd, wenn ein Atheist mit buddhistischen Gläubigen betend (heißt das so?) gefilmt wird und die Handbewegungen nacharmt. Noch absurder ist es, dass ich quasi jeden Scheiß bereitwillig mitmache, weiß wie bescheuert ich aussehe und zu erschöpft bin vom Tag, um mich noch zu wehren. Genießt den Lachflash beim Gucken von Gallileo ;)
Kaum zu glauben, dass gerade mal 3 Tage vergangen sind, seit ich in Thailand angekommen bin. Die nächsten Tage sind erfrischend ereignislos. Wir verbringen noch einen Tag im Tempel - Lars führt Interviews, ich ziehe mich zurück. Keine Minute habe ich alleine Verbracht. Gechlafen und gegessen wird immer in Gemeinschaft - und in Gemeinschaft schlafen heißt auf einer Matte in einem Schlafsaal. Acht Gänge mit je 14 Betten. Ja, tatsächlich hab ich mit knapp 112 Menschen zusammen in einem Raum geschlafen. Ich liebe den Erfinder von Oropax! Ich liebe auch das Cafe ohne Toilette knapp 10 Meter vor dem Tempelgelände - ich bin einfach nicht dafür gemacht ständig mit fake-lächeln und in Uniform herum zu laufen, dankbar zu sein und etwas für meinen murrid zu tun. Abends geht es nach Bangkok und so sehr mir diese Stadt auf die Nerven geht, so froh bin ich endlich wieder in Ruhe gelassen zu werden. Da sitze ich jetzt immer noch. Die Erinnerung an die Zeit hat mir mein Heimweh etwas genommen und ich freue mich wieder über die Zeit, die ich in Bangkok mit Lars und Mon verbracht habe.
Mit dem Boot den Fluss hoch fahren, den liegenden Buddha und die umliegenden Tempel und Straßen anschauen, Essen von kleinen Garküchen kaufen und probieren. Es gibt nicht vieles, das mich wirklich umhaut beim Essen und doch ist ab und zu etwas wirklich köstliches dabei. Dann gibt es Lindy Hop und und sogar ein Festival etwas außerhalb. Ziemlich cool und plötzlich lerne ich Thailands Mittel- und Oberschicht kennen und lieben. Offene freundliche Menschen die nicht vor Lachen und Scham zusammen brechen weil sie mal ein Wort auf Englisch gesagt haben. Ich weiß, die anderen können nichts dafür aber es ist trotzdem sehr anstrengend. Meine Flucht vor der westlichen Kultur endet darin, dass ich mich im internationalen Umfeld doch wieder am wohlsten fühle.
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